Rainer Arnold: Gerhard Schröder muss Konsequenzen ziehen … Offener Brief

1. März 2022

Liebe Genossinnen und Genossen,

der von Russland entfesselte Krieg in der Ukraine macht uns alle sprachlos.
Niemals hätten wir eine derartige Eskalation für möglich gehalten.

Umso wichtiger ist es, dass wir als Partei klar und angemessen reagieren.
Ihr findet daher im Anhang zum nachlesen die Regierungserklärung von Olaf Scholz.

Außerdem planen wir voraussichtlich noch in dieser Woche eine (digitale)
Diskussionsrunde mit unserem außenpolitischen Sprecher Nils Schmid.
Die Einladung dazu erhaltet ihr, sobald wir einen gemeinsamen Termin gefunden haben.

Was können wir, was könnt ihr unternehmen?
Über das Netzwerk elionor könnt ihr Unterkünfte auf Zeit für Flüchtlinge aus der Ukraine anbieten.
Elionor wird von verschiedenen Organisationen und Akteuren,
unter anderem dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, gefördert.

Vor einer Datenweitergabe nimmt das Netzwerk Kontakt mit den Personen auf,
die eine Unterkunft anbieten. Politische Ziele werden nicht verfolgt,
es besteht die Möglichkeit den Zeitraum (wie lange wird die Unterkunft angeboten)
oder die erforderlichen Sprachkenntnisse festzulegen.

Das Agieren unseres Bundeskanzlers a.D. Gerhard Schröder ist momentan Gegenstand
einer intensiven Auseinandersetzung innerhalb der SPD. Viele Genoss*innen

  • zu denen auch wir gehören – vertreten die Meinung, dass Gerhard den Zeitpunkt
    sich von Putin und seinem Engagement für Russland zu distanzieren, verpasst hat.

Beigefügt findet ihr einen offenen Brief unseres Bundestagsabgeordneten a.D. Rainer Arnold.
Darin fordert er Gerhard auf die Partei zu verlassen.
Dem möchten wir uns als Kreisvorsitzende ausdrücklich anschließen.

Viele Grüße,

Barbara Fröhlich und Simon Bürkle
Vorsitzende des SPD-Kreisverbandes Esslingen

Wilhelmsplatz 10
70182 Stuttgart
Tel.: 0711-6193651
Mail: doppelspitze@spd-es.de
Web: www.spd-es.de

Offener Brief an Gerhard Schröder, Bundeskanzler a.D.

Lieber Gerhard,

“Die Völker der Welt wünschen den Frieden. Sie wünschen die Herrschaft des Rechts, die Grundlage jeder
Freiheit ist. Dafür arbeiten wir. Deutschland, das habe ich versichert, beteiligt sich nicht am Irak-Krieg.”
Dieses Zitat aus Deinem Mund, das eigentlich universelle Gültigkeit hat, klingt heute wie Hohn angesichts Deines
Beharrens auf die geschäftlichen Beziehungen zu den Firmen der Kreml-Oligarchen, der russischen Staatskonzerne
und der persönlichen Freundschaft zu einem notorischen Lügner, Kriegsverbbrecher, Mörder und übelstem Feind
der Demokratie und der Freiheit.
Ich bin seit 50 Jahren Sozialdemokrat, davon war ich 19 Jahre Mitglied im Bundestag und lange Zeit stolz auf
„unseren Gerd“. Vielleicht erinnerst Du Dich ja, ich habe auch bei rauem Gegenwind stets loyal Deinen Kurs
unterstützt und engagiert verteidigt, ganz besonders auch bei den ernsten Debatten um die Bundeswehreinsätze
auf dem Balkan und in Afghanistan.
Inzwischen muss ich mir eingestehen, ich habe mich in der Einschätzung Deiner Persönlichkeit fürchterlich geirrt,
das schmerzt. Du bist heute leider ein ehemaliger Bundeskanzler der seine eigene Würde komplett verloren hat.
Das macht mich nur noch traurig. Allerdings – wenn ich an die Menschen in der Ukraine denke, die um ihre Freiheit
und um ihr Leben kämpfen auch wütend. Zumal ich feststelle, dass Du nicht einmal angesichts der nun absolut
offenkundigen Verbrechen der russischen Führung die Reißleine ziehst und Dir dadurch wenigstens ein Minimum an
Respekt bewahrst. Ja, das kann ich nicht fassen.
Ich kann Dich deshalb nur noch darum bitten, die SPD selbst zu verlassen um noch größeren Schaden abzuwenden.
Dein derzeitiges Engagement ist angesichts der Entwicklung der letzten Tage weder im Interesse Deutschlands und
erst recht nicht im Interesse der Sozialdemokratie. Dein Handeln widerspricht eklatant den Grundwerten unserer
Partei. Um es klar zu sagen, die Mitglieder in meinem Ortsverein und auch ich wollen nicht länger in einer
Gemeinschaft mit Dir für unsere durchaus auch immer wieder gefährdete Demokratie viele Stunden im Ehrenamt
arbeiten. Und dieses Engagement unserer Mitglieder wiegt ungleich mehr, als Deine Mitgliedschaft in unserer
Partei.
Also leiste uns bitte den letzten Dienst und erspare der SPD und auch Dir persönlich weitere anhaltende peinliche
und unerträgliche Debatten über Dein nur noch als egoistisch zu bewertendes Engagement für Putins ebenso
egoistische wie menschenverachtende Interessen.

Rainer Arnold
Bundestagsabgeordneter a.D
.

Regierungserklärung
des Bundeskanzlers
der Bundesrepublik Deutschland
Olaf Scholz, MdB

„Entschlossen für Frieden und Sicherheit“
Berlin, den 27. Februar 2022
Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
der 24. Februar 2022 markiert eine
Zeitenwende in der Geschichte unseres
Kontinents.
Mit dem Überfall auf die Ukraine hat der
russische Präsident Putin kaltblütig einen
Angriffskrieg vom Zaun gebrochen.
Aus einem einzigen Grund: Die Freiheit der
Ukrainerinnen und Ukrainer stellt sein eigenes
Unterdrückungsregime in Frage.
Das ist menschenverachtend.
Das ist völkerrechtswidrig.

  • 3 –

    Das ist durch nichts und niemanden zu
    rechtfertigen.
    Die schrecklichen Bilder aus Kiew, Charkiw
    [mit CH wie in Chuzpe], Odessa oder Mariupol
    [sprich: Mari-JU-pol] zeigen die ganze
    Skrupellosigkeit Putins.
    Die himmelschreiende Ungerechtigkeit, der
    Schmerz der Ukrainerinnen und Ukrainer – sie
    gehen uns allen sehr nahe.
    Ich weiß genau, welche Fragen sich viele
    Bürgerinnen und Bürger in diesen Tagen
    abends am Küchentisch stellen.
    Welche Sorgen sie umtreiben – angesichts der
    furchtbaren Nachrichten aus den
    Kriegsgebieten.
  • 4 –

    Viele von uns haben noch die Erzählungen
    unserer Eltern oder Großeltern im Ohr vom
    Krieg. Und für die Jüngeren ist es kaum
    fassbar – Krieg in Europa.
    Viele von ihnen verleihen ihrem Entsetzen
    Ausdruck – überall im Land, auch draußen vor
    dem Reichstag.
    Wir erleben eine „Zeitenwende“.
    Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht
    mehr dieselbe wie die Welt davor.
    Im Kern geht es um die Frage, ob Macht das
    Recht brechen darf. Ob wir es Putin gestatten,
    die Uhren zurückzudrehen in die Zeit der
    Großmächte des 19. Jahrhunderts.
  • 5 –

    Oder ob wir die Kraft aufbringen,
    Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen.
    Das setzt eigene Stärke voraus. [Pause]
    Ja, wir wollen und wir werden unsere Freiheit,
    unsere Demokratie und unseren Wohlstand
    sichern.
    Und ich bin Ihnen, Frau Präsidentin, sehr
    dankbar, dass ich die Vorstellungen der
    Bundesregierung dazu heute, in dieser
    Sondersitzung mit Ihnen teilen kann.
    Und auch den Vorsitzenden aller
    demokratischen Fraktionen dieses Hauses
    danke ich dafür, dass Sie diese Sitzung
    unterstützt haben.
  • 6 –

Meine Damen und Herren,
mit dem Überfall auf die Ukraine will Putin nicht
nur ein unabhängiges Land von der Weltkarte
tilgen.
Er zertrümmert die europäische
Sicherheitsordnung, wie sie seit der
Schlussakte von Helsinki fast ein halbes
Jahrhundert Bestand hatte.
Er stellt sich auch ins Abseits der gesamten
internationalen Staatengemeinschaft.

  • 7 –

    Weltweit haben unsere Botschaften in den
    vergangenen Tagen gemeinsam mit Frankreich
    dafür geworben, die russische Aggression im
    Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als das
    zu benennen, was sie ist: ein infamer
    Völkerrechtsbruch.
    Und wenn man sich das Ergebnis der
    Sicherheitsratssitzung in New York
    anschaut, durchaus mit Erfolg.
    Die Beratungen haben gezeigt: Wir stehen
    keineswegs allein in unserem Einsatz für den
    Frieden.
    Wir werden ihn fortsetzen, mit aller Kraft.
    Dafür bin ich Außenministerin Baerbock sehr
    dankbar. [Pause]
  • 8 –

    Nur mit der Notbremse seines Vetos konnte
    Moskau – immerhin ein ständiges Mitglied des
    Sicherheitsrats – die eigene Verurteilung
    verhindern.
    Was für eine Schande!

Präsident Putin redet dabei stets von
unteilbarer Sicherheit. Tatsächlich aber will er
den Kontinent gerade mit Waffengewalt in
altbekannte Einflusssphären teilen.
Das hat Folgen für die Sicherheit in Europa.
Ja, dauerhaft ist Sicherheit in Europa nicht
gegen Russland möglich.

  • 9 –

    Auf absehbare Zeit aber gefährdet Putin
    diese Sicherheit.
    Deshalb sage ich in aller Klarheit: Wir nehmen
    die Herausforderung an, vor die die Zeit uns
    stellt – nüchtern und entschlossen.
    Fünf Handlungsaufträge liegen nun vor uns:
    Erstens: Wir müssen die Ukraine in dieser
    verzweifelten Lage unterstützen.
    Das haben wir auch in den vergangenen
    Wochen, Monaten und Jahren in großem
    Umfang getan.
    Aber mit dem Überfall auf die Ukraine sind
    wir in einer neuen Zeit.
  • 10 –

    In Kiew, Charkiw [mit CH wie in Chuzpe],
    Odessa oder Mariupol [sprich: Mari-JU-pol]
    verteidigen die Menschen nicht nur ihre
    Heimat.
    Sie kämpfen für Freiheit und ihre Demokratie.
    Für Werte, die wir mit ihnen teilen.
    Als Demokratinnen und Demokraten, als
    Europäerinnen und Europäer stehen wir an
    ihrer Seite – auf der richtigen Seite der
    Geschichte!
    Am Donnerstag hat Präsident Putin mit
    seinem Überfall auf die Ukraine eine neue
    Realität geschaffen. Diese neue Realität
    erfordert eine klare Antwort.
    Wir haben sie gegeben.
  • 11 –

    Wie Sie wissen, haben wir gestern entschieden,
    dass Deutschland der Ukraine Waffen zur
    Verteidigung des Landes liefern wird.
    Auf Putins Aggression konnte es keine andere
    Antwort geben.

Meine Damen und Herren,
unser zweiter Handlungsauftrag ist: Putin von
seinem Kriegskurs abzubringen.
Der Krieg ist eine Katastrophe für die
Ukraine. Aber: Der Krieg wird sich auch als
Katastrophe für Russland erweisen.

  • 12 –

    Gemeinsam mit den EU-Staats- und
    Regierungschefs haben wir ein
    Sanktionspaket von bisher ungekanntem
    Ausmaß verabschiedet.
     Wir schneiden russische Banken und
    Staatsunternehmen von der Finanzierung
    ab.
     Wir verhindern den Export von
    Zukunftstechnologie nach Russland.
     Und wir nehmen die Oligarchen und ihre
    Geldanlagen in der EU ins Visier.
     Hinzu kommen die Strafmaßnahmen gegen
    Putin und Personen in seinem direkten
    Umfeld und Einschränkungen bei der
    Visavergabe für russische Offizielle.
  • 13 –

     Und wir schließen wichtige russische Banken
    vom Banken-Kommunikationsnetz SWIFT
    aus. Darauf haben wir uns gestern mit den
    Staats- und Regierungschefs der
    wirtschaftlich stärksten Demokratien und der
    EU verständigt.
    Machen wir uns nichts vor: Putin wird seinen
    Kurs nicht über Nacht ändern.
    Doch schon sehr bald wird die russische
    Führung spüren, welch hohen Preis sie zahlt.
    Allein in der letzten Woche haben russische
    Börsenwerte um über 30 Prozent
    nachgegeben.
    Das zeigt: Unsere Sanktionen wirken.
  • 14 –

    Und wir behalten uns weitere Sanktionen vor,
    ohne irgendwelche Denkverbote.
    Unsere Richtschnur bleibt die Frage: Was trifft
    die Verantwortlichen am härtesten?
    Die, um die es geht.
    Und nicht das russische Volk.
    Denn: Putin, nicht das russische Volk hat sich
    für den Krieg entschieden.
    Deshalb gehört es deutlich ausgesprochen:
    Dieser Krieg ist Putins Krieg! [Pause]
    Die Differenzierung ist mir wichtig. Denn: Die
    Aussöhnung zwischen Deutschen und
    Russen nach dem Zweiten Weltkrieg ist – und
    bleibt – ein wichtiges Kapitel unserer
    gemeinsamen Geschichte.
  • 15 –

    Und ich weiß, wie schwierig zu ertragen die
    derzeitige Situation gerade für die vielen
    Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ist,
    die in der Ukraine oder in Russland geboren
    sind.
    Darum werden wir nicht zulassen: dass dieser
    Konflikt zwischen Putin und der freien Welt zum
    Aufreißen alter Wunden und zu neuen
    Verwerfungen führt.
    Und noch etwas sollten wir nicht vergessen: In
    vielen russischen Städten haben Bürgerinnen
    und Bürger in den vergangenen Tagen gegen
    Putins Krieg protestiert, haben Verhaftung
    und Bestrafung in Kauf genommen.
    Das erfordert großen Mut und wahre
    Tapferkeit!
  • 16 –

    Deutschland steht heute an der Seite der
    Ukrainerinnen und Ukrainer. Unsere
    Gedanken und unser Mitgefühl gelten heute
    den Opfern des russischen Angriffskrieges.
    Und genauso stehen wir an der Seite all jener
    in Russland, die Putins Machtapparat mutig
    die Stirn bieten und seinen Krieg gegen die
    Ukraine ablehnen. Wir wissen, sie sind viele.
    Ihnen allen sage ich: Geben Sie nicht auf! Ich
    bin ganz sicher: Freiheit, Toleranz und
    Menschenrechte werden sich auch in
    Russland durchsetzen.

  • 17 –

    Meine Damen und Herren,
    die dritte große Herausforderung liegt darin zu
    verhindern, dass Putins Krieg auf andere
    Länder in Europa übergreift.
    Das bedeutet: Ohne Wenn und Aber stehen wir
    zu unserer Beistandspflicht in der NATO.
    Das habe ich auch unseren Alliierten in Mittelund Osteuropa gesagt, die sich um ihre
    Sicherheit sorgen.
    Präsident Putin sollte unsere
    Entschlossenheit nicht unterschätzen,
    gemeinsam mit unseren Alliierten jeden
    Quadratmeter des Bündnisgebiets zu
    verteidigen!
  • 18 –

    Wir meinen das sehr ernst. Mit der Aufnahme
    eines Landes in die NATO ist unser Wille als
    Bündnispartner verbunden, dieses Land zu
    verteidigen. Und zwar so wie uns selbst!

Die Bundeswehr hat ihre Unterstützung für die
östlichen Bündnispartner bereits
ausgeweitet – und wird dies weiter tun.
Für dieses wichtige Signal danke ich der
Bundesverteidigungsministerin!
 In Litauen, wo wir den Einsatzverband der
NATO führen, haben wir unsere Truppe
aufgestockt.

  • 19 –

     Unseren Einsatz beim Air Policing in
    Rumänien haben wir verlängert und
    ausgeweitet.
     Wir wollen uns am Aufbau einer neuen
    NATO-Einheit in der Slowakei beteiligen.
     Unsere Marine hilft mit zusätzlichen Schiffen
    bei der Sicherung von Nord- und Ostsee
    und im Mittelmeer.
     Und wir sind bereit, uns mit
    Luftabwehrraketen auch an der Verteidigung
    des Luftraums unserer Alliierten in
    Osteuropa zu beteiligen.
  • 20 –

    Unsere Soldatinnen und Soldaten hatten in
    den vergangenen Tagen oft nur wenig Zeit, sich
    auf diese Einsätze vorzubereiten.
    Ich sage ihnen, und sicher auch im Namen von
    uns allen: „Danke“! [Pause]
    Danke und für Ihren wichtigen Dienst – gerade
    in diesen Tagen!

Meine Damen und Herren,
angesichts der Zeitenwende, die Putins
Aggression bedeutet, lautet unser Maßstab:
Was für die Sicherung des Friedens in
Europa gebraucht wird, das wird getan.
Deutschland wird dazu seinen solidarischen
Beitrag leisten.

  • 21 –

    Das heute klar und unmissverständlich
    festzuhalten reicht aber nicht aus. Denn dafür
    braucht die Bundeswehr neue, starke
    Fähigkeiten.
    Und das ist mein viertes Anliegen, meine
    Damen und Herren.
    Wer Putins historisierende Abhandlungen
    liest, wer seine öffentliche Kriegserklärung an
    die Ukraine im Fernsehen gesehen hat, oder
    wer – wie ich – kürzlich persönlich mit ihm
    gesprochen hat, der kann keinen Zweifel mehr
    haben: Putin will ein russisches Imperium
    errichten.
  • 22 –

    Er will die Verhältnisse in Europa nach
    seinen Vorstellungen grundlegend neu
    ordnen. Und dabei schreckt er nicht zurück vor
    militärischer Gewalt.
    Das sehen wir heute in der Ukraine.
    Wir müssen uns daher fragen: Welche
    Fähigkeiten besitzt Putins Russland?
    Und welche Fähigkeiten brauchen wir, um
    dieser Bedrohung zu begegnen – heute und in
    der Zukunft?
    Klar ist: Wir werden deutlich mehr investieren
    müssen in die Sicherheit unseres Landes. Um
    auf diese Weise unsere Freiheit und unsere
    Demokratie zu schützen.
  • 23 –

    Das ist eine nationale Kraftanstrengung.
    Das Ziel ist eine leistungsfähige,
    hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr,
    die uns zuverlässig schützt.
    Ich habe bei der Münchner
    Sicherheitskonferenz vor einer Woche gesagt:
    Wir brauchen Flugzeuge, die fliegen, Schiffe,
    die in See stechen und Soldatinnen und
    Soldaten, die für ihre Einsätze optimal
    ausgerüstet sind.
    Darum geht es.
    Und das ist ja wohl erreichbar für ein Land
    unserer Größe und unserer Bedeutung in
    Europa.
  • 24 –

    Aber machen wir uns nichts vor: Bessere
    Ausrüstung, modernes Einsatzgerät, mehr
    Personal – das kostet viel Geld.
    Wir werden dafür ein Sondervermögen
    „Bundeswehr“ einrichten. Und ich bin
    Bundesfinanzminister Lindner sehr dankbar
    für seine Unterstützung dabei!
    Der Bundeshaushalt 2022 wird dieses
    Sondervermögen einmalig mit 100 Milliarden
    Euro ausstatten. Die Mittel werden wir für
    notwendige Investitionen und
    Rüstungsvorhaben nutzen.
    [Pause]
  • 25 –

    Wir werden von nun an – Jahr für Jahr –
    mehr als zwei Prozent des
    Bruttoinlandsprodukts in unsere
    Verteidigung investieren. [Pause]
    Und ich richte mich hier an alle Fraktionen des
    Deutschen Bundestags: Lassen Sie uns das
    Sondervermögen im Grundgesetz absichern!
    Eines will ich hinzufügen: Wir streben dieses
    Ziel nicht nur an, weil wir bei unseren Freunden
    und Alliierten im Wort stehen, unsere
    Verteidigungsausgaben bis 2024 auf zwei
    Prozent unserer Wirtschaftsleistung zu steigern.
    Wir tun dies auch für uns, für unsere eigene
    Sicherheit.
  • 26 –

    Wohl wissend, dass sich nicht alle
    Bedrohungen der Zukunft mit den Mitteln der
    Bundeswehr einhegen lassen.
     Deshalb brauchen wir eine starke
    Entwicklungszusammenarbeit.
     Deshalb werden wir unsere Resilienz
    stärken – technisch und gesellschaftlich –
    zum Beispiel gegen Cyberangriffe und
    Desinformationskampagnen; gegen
    Angriffe auf unsere kritische Infrastruktur
    und Kommunikationswege.
    Und wir werden technologisch auf der Höhe
    der Zeit bleiben.
  • 27 –

     Darum ist es mir zum Beispiel so wichtig,
    dass wir die nächste Generation von
    Kampfflugzeugen und Panzern gemeinsam
    mit europäischen Partnern – und
    insbesondere mit Frankreich – hier in Europa
    bauen. Diese Projekte haben oberste
    Priorität für uns.
    Bis die Flugzeuge einsatzbereit sind, werden
    wir den Eurofighter gemeinsam
    weiterentwickeln.
     Gut ist auch, dass die Verträge zur
    „Eurodrohne“ in dieser Woche endlich
    unterzeichnet werden konnten.
    Auch die Anschaffung der bewaffneten
    Heron-Drohne aus Israel treiben wir voran.
  • 28 –

     Und für die Nukleare Teilhabe werden wir
    rechtzeitig einen modernen Ersatz für die
    veralteten Tornado-Jets beschaffen.
    Der Eurofighter soll zur electronic warfare
    befähigt werden.
    Das Kampfflugzeug F-35 kommt als
    Trägerflugzeug in Betracht.

Und schließlich, meine Damen und Herren,
werden wir mehr tun, um eine sichere
Energieversorgung unseres Landes zu
gewährleisten.
Einige wichtige Maßnahmen dazu hat die
Bundesregierung bereits auf den Weg
gebracht.

  • 29 –

    Und wir werden umsteuern, um unsere
    Importabhängigkeit von einzelnen
    Energielieferanten zu überwinden.
    Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen
    haben uns doch gezeigt: Eine
    verantwortungsvolle, vorausschauende
    Energiepolitik ist nicht nur entscheidend für
    unsere Wirtschaft und unser Klima.
    Sondern entscheidend auch für unsere
    Sicherheit.
    Deshalb gilt: Je schneller wir den Ausbau
    erneuerbarer Energien vorantreiben, desto
    besser.
  • 30 –

    Und wir sind auf dem richtigen Weg: Wir wollen
    als Industrieland bis 2045 Co2-neutral
    werden!
    Mit diesem Ziel vor Augen werden wir wichtige
    Entscheidungen treffen müssen:
     Etwa, eine Kohle- und Gasreserve
    aufzubauen.
    Wir haben beschlossen, die Speichermenge
    an Erdgas über sogenannte Long Term
    Options um zwei Milliarden Kubikmeter zu
    erhöhen. Zudem werden wir – rückgekoppelt
    mit der EU – zusätzliches Erdgas auf den
    Weltmärkten erwerben.
     Und schließlich haben wir die Entscheidung
    getroffen, zwei Flüssiggas-Terminals, LNGTerminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven
    schnell zu bauen.
  • 31 –

    Bundeswirtschaftsminister Habeck möchte
    ich für seinen Einsatz dabei ganz ausdrücklich
    danken!
    Das, was nun kurzfristig notwendig ist, lässt
    sich mit dem verbinden, was langfristig ohnehin
    gebraucht wird für den Erfolg der
    Transformation.
    Ein LNG-Terminal, in dem heute Gas ankommt,
    kann morgen auch grünen Wasserstoff
    aufnehmen.
    Und natürlich behalten wir bei alldem die hohen
    Energiepreise im Blick.
  • 32 –

    Putins Krieg hat sie zuletzt noch weiter steigen
    lassen.
    Deshalb haben wir in dieser Woche ein
    Entlastungspaket vereinbart, mit der
    Abschaffung der EEG-Umlage noch in
    diesem Jahr, einer Erhöhung der
    Pendlerpauschale, einem
    Heizkostenzuschuss für Geringverdiener,
    Zuschüssen für Familien und neuen
    steuerlichen Entlastungen.
    Die Bundesregierung wird das schnell auf den
    Weg bringen.
    Unsere Botschaft ist klar: Wir lassen die
    Bürgerinnen und Bürger und die
    Unternehmen in dieser Lage nicht allein.
  • 33 –

    Meine Damen und Herren,
    die Zeitenwende trifft nicht nur unser Land. Sie
    trifft ganz Europa.
    Und auch darin stecken Herausforderung und
    Chance zugleich.
    Die Herausforderung besteht darin, die
    Souveränität der Europäischen Union
    nachhaltig und dauerhaft zu stärken.
    Die Chance liegt darin, dass wir die
    Geschlossenheit wahren, die wir in den
    letzten Tagen unter Beweis gestellt haben –
    Stichwort: Sanktionspaket.
  • 34 –

    Für Deutschland und für alle anderen
    Mitgliedsländer der EU heißt das, nicht bloß zu
    fragen, was man für das eigene Land in Brüssel
    herausholen kann.
    Sondern zu fragen: Was ist die beste
    Entscheidung für unsere Union?
    Europa ist unser Handlungsrahmen.
    Nur, wenn wir das begreifen, werden wir vor
    den Herausforderungen unserer Zeit
    bestehen.
    Und damit bin ich bei meinem fünften und
    letzten Punkt: Putins Krieg bedeutet eine Zäsur
    – auch für unsere Außenpolitik.
  • 35 –

    So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu
    sein – dieser Anspruch bleibt.
    Nicht naiv zu sein, das bedeutet aber auch:
    Kein Reden, um des Redens willens.
    Für echten Dialog braucht es die Bereitschaft
    dazu – auf beiden Seiten.
    Daran mangelt es auf Seiten Putins ganz
    offensichtlich – und das nicht erst in den letzten
    Tagen und Wochen.
    Was heißt das für die Zukunft?
    Wir werden uns Gesprächen mit Russland
    nicht verweigern.
  • 36 –

    Auch in dieser extremen Lage ist es Aufgabe
    der Diplomatie, Gesprächskanäle
    offenzuhalten.
    Alles andere halte ich für unverantwortlich.
    Meine Damen und Herren,
    wir wissen, wofür wir einstehen – auch
    angesichts unserer eigenen Geschichte.
    Wir stehen ein für den Frieden in Europa.
    [Pause]
     Wir werden uns nie abfinden mit Gewalt als
    Mittel der Politik.
  • 37 –

     Wir werden uns immer stark machen für die
    friedliche Lösung von Konflikten.
     Und wir werden nicht ruhen, bis der
    Frieden in Europa gesichert ist. [Pause]
    Und dabei stehen wir nicht allein, sondern
    zusammen mit unseren Freunden und
    Partnern in Europa und weltweit.
    Unsere größte Stärke sind unsere
    Bündnisse und Allianzen!
    Ihnen verdanken wir das große Glück, das
    unser Land seit über 30 Jahren genießt:
    In einem vereinten Land zu leben, in
    Wohlstand und in Frieden mit unseren
    Nachbarn.
  • 38 –

    Wenn wir wollen, dass diese letzten 30 Jahre
    keine historische Ausnahme bleiben, dann
    müssen wir alles tun für den Zusammenhalt der
    Europäischen Union, für die Stärke der
    NATO, für noch engere Beziehungen zu
    unseren Freunden, Partnern und
    Gleichgesinnten weltweit.
    Ich bin voller Zuversicht, dass uns dies gelingt.
    Denn selten waren wir und unsere Partner so
    entschlossen und so geschlossen.
    Uns eint in diesen Tagen: Wir wissen um die
    Stärke freier Demokratien.
  • 39 –

    Wir wissen: Was von einem breiten
    gesellschaftlichen und politischen Konsens
    getragen wird, das hat Bestand – auch in
    dieser Zeitenwende und darüber hinaus.
    Und deswegen danke ich Ihnen und allen
    Fraktionen dieses Hauses, die den russischen
    Überfall auf die Ukraine entschieden als das
    verurteilt haben, was er ist: ein durch nichts zu
    rechtfertigender Angriff auf ein unabhängiges
    Land, auf die Friedensordnung in Europa und
    der Welt.
    Der heutige Entschließungsantrag bringt das
    klar zum Ausdruck.
  • 40 –
    Ich danke allen, die in diesen Tagen Zeichen
    setzen: Gegen Putins Krieg – und die sich
    hier in Berlin und anderswo zu friedlichen
    Kundgebungen versammeln.
    Und ich danke allen, die in diesen Zeiten mit
    uns einstehen für ein freies und offenes,
    gerechtes und friedliches Europa.
    Wir werden es verteidigen.
    Vielen Dank!

Nachtrag von Prof. Dr. René Repasi MdEP vom 4. März 2022 per e-Mail:

Die Mitglieder des Europäischen Parlaments zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Thema der Debatte war der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der uns alle seit Tagen in Atem hält. In der neuesten Ausgabe meines Videonewsletters berichte ich über die Debatten, die wir hier in Brüssel geführt haben.

Es ist nun über eine Woche vergangen, seit die russischen Truppen in die Ukraine eingefallen sind. Das nimmt auch mich persönlich sehr mit. Es muss alles dafür getan werden, dass dem Kriegstreiber aus Moskau die Grenzen aufgezeigt werden. Denn Putins Krieg markiert eine echte Zeitenwende in Europa: Sein Regime bricht nicht „nur“ Völkerrecht und bringt hunderttausende Menschen in höchste Not, es gefährdet auch die Sicherheit auf dem ganzen Kontinent.

Doch wir lassen uns durch Putins Drohungen nicht einschüchtern. Europa lässt sich nicht spalten! Wir haben deutlich gemacht, dass wir vereint, solidarisch und entschlossen hinter den Ukrainerinnen und Ukrainern stehen. Denn in Kiew werden auch Freiheit und Demokratie verteidigt. Das sind auch unsere Werte, für diese gilt es nun zu einzustehen.

Ich hoffe, dass dieser Schrecken bald ein Ende findet. Lasst uns alles dafür tun!

Solidarische Grüße, Euer René: (235) Putins Kriegstreiberei erfordert klare Antworten! | René Repasi – YouTube